CORPORATE FINANCE
Warum mir der Vorschlag von Friedrich Merz (fast) gefallen hat ...

Warum mir der Vorschlag von Friedrich Merz (fast) gefallen hat ...

Prof. Dr. Christoph Kaserer

Prof. Dr. Christoph Kaserer
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Kurz vor Jahresschluss hat Friedrich Merz im Rahmen des Wahlkampfs um den CDU-Parteivorsitz mit dem Vorschlag von sich reden gemacht, privates Aktiensparen durch einen steuerlichen Freibetrag zu fördern. Bemerkenswerterweise ist dieser Vorschlag nicht nur vom politischen Gegner heftig kritisiert worden, sondern auch von der Öffentlichkeit. Dabei gab es zwei zentrale Kritikpunkte. Erstens wurde ihm vorgehalten, er würde hier einem Interessenskonflikt unterliegen, weil ein Unternehmen wie Blackrock, bei dem er den Aufsichtsrat der deutschen Tochtergesellschaft leitet, von einer solchen Maßnahme profitieren würde. Diesen Punkt lasse ich hier dahingestellt, da sich jeder seine eigene Meinung dazu bilden kann. Vielmehr möchte ich mich mit dem zweiten Vorwurf, den insbesondere Ökonomen erhoben haben, auseinandersetzen. Nach deren Meinung sei der Vorschlag ordnungspolitisch problematisch, weil damit eine bestimmte Sparform steuerlich begünstigt würde. Dies sei falsch. Vielmehr müsse ein solcher Vorschlag in ein überzeugendes Gesamtkonzept der privaten Altersvorsorge eingebaut werden.

Diese Einwände fand ich erstaunlich, denn erstens gibt es ein solches Gesamtkonzept bereits seit einigen Jahren. Und zweitens privilegiert es gerade eine bestimmte Sparform, nämlich zertifizierte Altersvorsorgeprodukte gem. § 10 (2) EStG. Da ein Großteil dieser Produkte von Versicherungen und ähnlichen Finanzintermediären angeboten werden, hat dies dazu geführt, dass Rentenanlagen, insbesondere Staatsanleihen und Pfandbriefe, bei diesen Produkten dominieren, womit sie faktisch ein steuerbegünstigtes Vehikel der Staats- und Bankenfinanzierung sind.

Aber zunächst nochmal der Reihe nach. Soweit mir bekannt ist, handelt es sich bei dem von Friedrich Merz gemachten Vorschlag nur um eine öffentlich geäußerte Idee, nicht um ein im Detail ausgearbeitetes Konzept. Insoweit ist nicht völlig klar, wie der Vorschlag genau gemeint war. Auf der Grundlage dessen, was man der Presse entnehmen könnte, interpretiere ich den Vorschlag dahingehend, dass man einen bestimmten Betrag steuerfrei in Aktien anlegen können soll. Vermutlich ist dabei angedacht, dass der so investierte Betrag von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden kann. Im Gegenzug sind die im Alter aus diesem „Aktienkonto“ entnommenen Beträge voll steuerpflichtig. Man würde dieser Sparform somit das Privileg der nachgelagerten Besteuerung gewähren.

Dieses Privileg der nachgelagerten Besteuerung wurde hierzulande mit dem Alterseinkünftegesetz von 2004 für zertifizierte Altersvorsorgeprodukte (Basisrenten- und Altersvorsorgeverträge) eingeführt. Wer solche Produkte, die wiederum nur von bestimmten Finanzintermediären, insbesondere Versicherungen, angeboten werden dürfen, erwirbt, kann diese Investitionen im Rahmen der Vorsorgeaufwendungen gem. § 10 EStG bis zu einem Höchstbetrag von aktuell knapp 24.000 € pro Jahr absetzen. Dabei ist zu beachten, dass zu diesen Vorsorgeaufwendungen in bestimmten Grenzen auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gehören und dass es noch Übergangsfristen gibt, die dazu führen, dass das Finanzamt die Beträge noch nicht voll anerkennt.

Bemerkenswerterweise findet sich im Gesetz keine explizite Begründung dafür, warum die Einschränkung auf zertifizierte Verträge von bestimmten Finanzintermediären vorgeschrieben wurde, damit das Privileg der nachgelagerten Besteuerung greift. Soweit man Lobbyaktivitäten beiseite lässt, kann man sich leicht vorstellen, dass hier Verbraucherschutzüberlegungen eine Rolle gespielt haben mögen. Möglicherweise wollte man verhindern, dass unerfahrene Anleger durch falsche Anlageentscheidungen wesentliche Teile ihres Altersvorsorgekapitals verlieren.

Dies ist zwar nachvollziehbar, gleichzeitig ist aber die Konsequenz dieser Regelung, dass Anleger allein aus steuerlichen Gründen in wenig transparente und kostspielige Produkte gezwungen werden. Man stellt sich daher unwillkürlich die Frage, warum zumindest nicht ein Teil des erwähnten Höchstbetrags über kostengünstige Aktien- und Rentenfonds (ETFs) direkt am Kapitalmarkt angelegt werden kann. Ich habe gemeinsam mit zwei Kollegen bereits im Jahr 2015 im Rahmen eines für das BMWi erstellten Gutachtens einen dahingehenden Vorschlag gemacht. Dabei haben wir einen Höchstbetrag von einem Viertel oder Fünftel des o.g. Höchstbetrags für Vorsorgeaufwendungen ins Auge gefasst, der über solche kostengünstigen Aktien- und Rentenfonds direkt am Kapitalmarkt angelegt werden könnte.

Ein solches Modell wäre i.Ü. auch wenig revolutionär, weil es bereits Länder, wie etwa die Schweiz, gibt, die solche Modelle erprobt haben. Natürlich würde es auch hierfür einen gewissen administrativen Aufwand brauchen, weil die entsprechenden Fondsprodukte zertifiziert werden müssten, um sicherzustellen, dass sie geeignete Diversifikations- und Risikobegrenzungsvorschriften sowie Kostengrenzen erfüllen. Aber letztlich würde sich die Einführung einer solchen Möglichkeit nahezu nahtlos in das aktuelle geltende Gesamtsystem der steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge einfügen und eben keine einseitige steuerliche Begünstigung einer kapitalmarktorientierten Sparform darstellen. Im Gegenteil: die derzeit de-facto existierende steuerliche Begünstigung der Staats- und Bankenfinanzierung würde zugunsten einer breiter kapitalmarktorientierten Altersvorsorge zurückgenommen werden. Insoweit hat mir der Vorschlag von Herrn Merz gefallen und ich hoffe, dass es im neuen Jahr zu einer breiteren Debatte darüber kommt.

Ich wünsche den Lesern dieser Ausgabe der CORPORATE FINANCE wieder viele spannende neue Einsichten!

Ihr Prof. Dr. Christoph Kaserer