CORPORATE FINANCE
Digitalisierung und die Zukunft von Corporate Finance

Digitalisierung und die Zukunft von Corporate Finance

Dr. Ingo Natusch

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Zurzeit findet ein Wandel in der Unternehmensfinanzierung statt. Viele Unternehmen, insbesondere die mittelständischen Unternehmen haben ihre Finanzierungsstrategien geändert. Im Ergebnis ist der Anteil der Eigenfinanzierung gestiegen, während der Anteil der Kreditfinanzierung durch Banken über einen längeren Zeitraum betrachtet langsam, aber stetig gesunken ist. Dies ist sicherlich auf mehrere Gründe zurückzuführen. Hierzu zählen insbesondere (i) die geringe Investitionstätigkeit der Unternehmen trotz anhaltender Niedrigzinsphase, (ii) die Kosten der erweiterten Regulierung der Banken, die dazu geführt haben, dass einige Banken sich aus diesem Geschäft zurückgezogen haben und der sog. Schattenbankensektor eine steigende Bedeutung erlangt sowie (iii) der zunehmende Einsatz von Kapitalmarktinstrumenten, wie z.B. Schuldscheindarlehen und Anleihen. Allerdings ist die Bedeutung von Anleihen in der Unternehmensfinanzierung in Deutschland nach wie vor nicht mit der in anderen Ländern, wie z.B. der kapitalmarktbasierten Unternehmensfinanzierung in den USA, zu vergleichen. Zudem konnte bislang ein Mittelstandsanleihesegment nicht wie geplant erfolgreich etabliert werden. Aufgrund einer Vielzahl von Insolvenzen (z.B. Prokon) hat sich sogar die Börse Stuttgart, die „Gründerin der Mittelstandsanleihesegmente“ aus diesem Segment zurückgezogen. Damit ist jedoch dieses Finanzierungsinstrument nicht weggefallen, sondern eine bonitätsorientierte Selektion muss sicherstellen, dass nur Qualitätsunternehmen dieses Finanzierungsinstrument nutzen (können).

Ein weiterer, bedeutender Faktor für den Wandel in der Unternehmensfinanzierung ist die Digitalisierung. Ein gutes Beispiel hierfür ist die KfW, die zuerst die Fördermittelplattform „Bankdurchleitung Online 2.0“ (BDO 2.0) für wohnwirtschaftliche Produkte erfolgreich implementiert hat. Diese internetbasierte Plattform dient dazu, den Weg zum Förderkredit sowohl für den Kunden, als auch für den Finanzierungspartner deutlich einfacher und schneller zu gestalten. Der bisherige Prozess aus Antrag und zeitverzögerter Zusage durch die KfW wird bei vielen Produkten durch das neue Prinzip einer sofortigen elektronischen Bestätigung der Förderfähigkeit ersetzt. Möglich wird dies durch automatisierte Prüf- und Entscheidungsroutinen ohne manuelle Sachbearbeitung. Durch die Automatisierung und Digitalisierung der Antrags- und Zusageprozesse ist der jeweilige Finanzierungspartner der KfW nunmehr in der Lage, seinem Kunden innerhalb von wenigen Sekunden eine vonseiten der KfW verbindliche Rückmeldung zur Förderfähigkeit bzw. Refinanzierung des Vorhabens zu geben. Dies geschieht im Gegensatz zu früher komplett papierlos, automatisiert und ist somit sowohl für den Kunden als auch für den Bankmitarbeiter deutlich zeitsparender, komfortabler und effizienter. Die Potenziale der Digitalisierung und Automatisierung sollen jedoch nicht auf wohnwirtschaftliche Projekte beschränkt bleiben, sondern auch bei gewerblichen Produkten, wie z.B. Förderkredite für mittelständische Unternehmen, genutzt werden.

Ein weiteres Beispiel für die steigende Bedeutung der Digitalisierung für die Unternehmensfinanzierung stellen FinTechs dar. Hierbei handelt es sich um Unternehmen, die durch moderne, meist internetbasierte Technologien und innerhalb weniger regulierter Rahmenbedingungen den Kundennutzen bei finanznahen Dienstleistungen optimieren möchten. FinTechs agieren entweder als Teil der Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistern oder bieten selbst Finanzdienstleistungen an. Diese sind durch ihre Einfachheit und Nutzerfreundlichkeit (die sog. Convenience) geprägt. Die Geschäftsmodelle von FinTechs sind insgesamt sehr vielfältig. Zu Beginn haben FinTechs Produkte und Dienstleistungen für das Privatkundengeschäft entwickelt, da hier im Wesentlichen Transaktionen stattfinden, die standardisiert und automatisiert abgewickelt werden können. Das gilt nicht in gleichem Maße für die Unternehmensfinanzierung. Gleichwohl bieten FinTechs bereits Produkte und Dienstleistungen für die jüngeren und kleineren mittelständischen Unternehmen an. Hierzu zählen das Forderungsmanagement (z.B. decimo, rechnung48 und debitos), Marktplätze für Privatkredite (z.B. fintura, crxmarkets, bankless, lendico und compeon) sowie Zahlungsverkehrstechniken (z.B. optiopay und traxpay).

Der Bundesverband deutscher Banken e.V. (BdB) hat in einer Stellungnahme den Banken empfohlen FinTechs nicht als disruptives Element, sondern als möglichen Kooperationspartner zu betrachten. Darüber hinaus bietet nunmehr der BdB FinTechs die außerordentliche Mitgliedschaft an, was die steigende Bedeutung von FinTechs unterstreicht.

Der Unternehmer muss sich daher nicht nur mit der Frage beschäftigen, welche Finanzierungsstrategie er zukünftig verfolgen will, sondern welche Digitalisierungsinvestitionen (insbesondere im Bereich Rechnungswesen und Finanzen) erforderlich sind, um moderne, internetbasierte Finanzierungsinstrumente überhaupt nutzen zu können.

Ich wünsche Ihnen eine interessante und anregende Lektüre!

Ihr Ingo Natusch